Die Gruppenreise – Eine Einleitung

Reiseleiten
Wer kann von einer Gruppenreise erzählen?
Wer hatte schon einmal am Morgen ein schlechtes Gewissen aufgrund der Ereignisse der Nacht?
Wer hat die anderen Mitglieder einer Gruppe schon einmal verflucht?
Wer gibt sich keine Blöße im Gruppenumfeld?
Wer tanz aus der Reihe und stört die Gruppendynamik?
Wer geht ganz in der Gemeinschaft auf?
Wer reist individual, wer geführt?
Wer hält der Gruppendynamik stand?

Meiner Meinung nach hat fast jeder schon Erfahrungen mit einer Gruppenreise gesammelt. Es mag die Klassenfahrt zum Abitur, der Vereinsausflug oder ein größerer Familienurlaub gewesen sein. Ich persönlich erinnere mich mehr an die wilden Nächte als an die täglichen Besichtigungen. Die Klassenfahrt hatte zwar einen offiziellen Rahmen, aber das nächtliche Programm bestimmte die Gruppendynamik. Leider läuft diese Dynamik schnell aus dem Ruder, wenn es keine adäquate Leitung oder wenn es kein wirklich gemeinsames Ziel gibt. Alkohol wirkt dabei gerne als Katalysator. Damit sind schon die Hauptunterschiede verschiedener Gruppen aufgezählt. Es bewegt sich vom Arbeitsteam, über die klassische Studienreise bis hin zum Vereinsausflug.

Am anderen Ende der Fahnenstange befindet sich die Pauschalreise. Hier steuert auch eine Gruppe zusammen eine Destination an, sitzt aber höchstens im Flugzeug und im Transferbus zusammen. Die dazu buchbaren Ausflüge sorgen dabei nur temporär für Gruppenentwicklung. In diesem Urlaub bleibt jeder trotz aller Standardisierung Individuum, solange der Reisegast dies nicht abends unter Alkoholeinfluss aufgibt.

Die geführte Individualreise mit Gruppendynamik

Die geführte Individualreise mit Gruppendynamik bleibt mein Paradox, welches ich mit meinem Beitrag hier langsam aufdröseln möchte. Sie liegt irgendwo in der Mitte im Gruppengspektrum. Sie sollte aus einem beschäftigendem Programm, gemeinsamen und individuellen Erlebnissen bestehen. Dabei spielt eine wichtige Rolle der kompetente Reiseleiter. Die Anforderungen nähern sich an das anfangs erwähnte Paradox an, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Darum soll es auf dieser Internetpräsenz gehen.

Was das Reisen angeht, gibt es die klassische Studienreise mit einem anstrengenden Programm, welches sich vornehmlich an klassischer Bildung orientiert. Sie beschreibt die Zwanzigstes-Jahrhundert-Variante der Grand Tour. Sie entwickelte sich als Nischenphänomen des Massentourismus. Mit der Verschiebung unserer Kulturauffassung und ihrer Verbreiterung – es gibt keinen Universalgelehrten mehr- verändern sich auch die Ansprüche, die Gäste an eine Studienreise haben. Lernen definieren wir heute sehr viel breiter als noch vor 30Jahren. Ich habe mich noch auf dem Gymnasium vergebens mit Latein gequält. Den Sinn habe ich bis heute nicht verstanden. Spanisch lernen fällt mir dadurch bestimmt jetzt nicht leichter.

Lernen und Erleben

Wir setzen beim Lernen heute den Fokus auf das Erleben. Die Gesellschaft erkennt langsam in der Breite, dass Fakten und Wissen ohne die Zusammenhänge und den persönlichen Bezug ziemlich nutzlos sind. In der Schule bin ich schon an den Jahreszahlen für Schlachten und Kriege gescheitert. Wir bewegen uns jetzt im Spannungsfeld zwischen Fachidioten und Universalgenies. Die klassische Bildung zielte auf Universalgelehrte hin, während wir heute in unserer differenzierten Wissenschaft und Gesellschaft eher von Fachgenies umgeben sind. Beides wurden mittlerweile zu Auslaufmodellen degradiert. In Zeiten von fachübergreifender Forschung können wir mit dem einen nichts mehr anfangen und der andere starb schon nach Goethe aus. In einer Reisegruppe könnte doch eine große Bandbreite an Spezialisten teilnehmen, die aus unterschiedlichen Bereiche kommen. Da müsste doch nur jemand diese Weltsichten anzapfen und miteinander verbinden.

Heute müssen Bildungsreisen und Studienreisen nicht mehr die einzigartige Möglichkeit bieten einmal Griechenland und Italien zu bereisen. Wir können einfacher zu den Orten gelangen, wobei auch die virtuelle Erreichbarkeit eine immer größere Rolle spielt. Die Frage wirft sich auf wie können Reisen zum persönlichen Bildungsrahmen beitragen und ihn erweitern. Denn nach den gescheiterten Diskussionen über den Bildungskanon bleibt nur die persönliche Weiterentwicklung.

Studienreise der Zukunft

Um es deutlich auszusprechen, es geht hier um eine Form der Reise, die ihren Fokus auf Bildung richtet und genau diese Form weiterzuentwickeln versucht. Ich möchte sozusagen die Studienreise der Zukunft entwickeln. Lernen, Erfahren, Erleben, Diskutieren, Meinungen austauschen und an anderen messen sind wichtige Bestandteile dieses Formates. Deswegen hab ich die Prase –geführte Individualreise mit Gruppendynamik– kreiert

Natürlich wird es weiter Besichtigungen geben und Touristen besuchen schöne und geschichtsträchtige Orte dieser Welt. Wobei die Besichtigungen auch virtuell stattfinden oder begleitet werden können. Allerdings verändert das Overcrowding und der Overtourism viele Orte und den Besuch. Ich bereise vor allem mit Gruppen vielbesuchte Orte in Italien wie Venedig, Rom oder Florenz. Alle diese Städte haben eine lange touristische Geschichte, die zu einem eigenen Besuchsgrund werden kann. Allerdings bieten sie auch die Erfahrung von langen Schlangen, überfüllten Museen. Es gibt Bereiche da umschleicht mich manchmal das Gefühl, dass sich die Einheimischen schon lange vor mir aus dem Staub gemacht haben. Im folgenden solle es um Strategien gehen, wie so eine Reise trotzdem interessant, lehrreich und ereignisreich gestaltet werden kann. Denn die drei genannten Städte sind weiterhin eine Reise wert, auch wenn ich mich regelmäßig als Reiseleiter über die Besuchermassen aufrege.

Was wäre Venedig nur ohne Tagestouristen und Kreuzfahrtschiffe?

Meine persönliche Antwort bleibt dabei: Venedig wäre um einiges ärmer. Wenn ein dreizehnstöckiges Kreuzfahrtschiff durch den Canale della Giudecca fährt, bietet dies ein großes Ereignis und eine Sehenswürdigkeit an sich. Die Schiffe sind doppelt so hoch wie die höchsten Häuser in Venedig. Es widerspricht anscheinend den Erwartungen vieler Venedig- Touristen und besonders der Einwohner. In den letzten Jahren gab es immer wieder Demonstrationen, eine Masse an Zeitungsartikeln und vielen nie eingehaltenen Verordnungen.

Linkliste

Grand Tour

Die Zeit über Overtoursimus

Urlaubsguru über Overtoursimus

Wikipedia zu Overtourism

Liste von Universalgelehrten (alle lange tot)

Artikel der Züricher Zeitung zum Aussterben der Universalgelehrten

Der Spiegel zu Kreuzfahrtschiffen in Venedig

Artikel bei travelbook zu Kreuzfahrttourismus

Kreuzfahrtschiffe aus Venedig verbannt (der Standart)

Gutes Video zur Gruppendynamik von Svenja Hofert