Ein Spaziergang in Alberobello ist wunderbar, die Kulisse der Trulli lädt förmlich dazu ein. Für mich übt die Stadt auch aus einem ganz besonderen Grund ihren Reiz aus. Ich erinnere mich bei dem Anblick der Häuser immer an meine Kindheit. Wären die Häuser blau, fehlten nur kleine blaue Lebewesen mit weißen Mützen. Merkwürdigerweise bleibt Schlumpfhausen mein Bezugspunkt. Heute verströmt mir Alberobello genau diese Kinderromantik von kleinen süßen Häusern. Alle reihen sich gleichförmig und gut gepflegt aneinander. Natürlich sieht die geschichtliche Realität anders aus. Romantik zog hier vor allem mit dem zunehmenden Tourismus ein, der in den Trulli Restaurants, Andenkenläden, Cafés und Eisdielen entstehen ließ.

Spaziergang durch die Trulli

Von den Parkplätzen am Stadtrand und dem Busaussteigepunkt (Taxishuttle möglich) führt die Straße (Via Indipendenza) direkt auf den Hauptplatz der Altstadt (Largo Martellotta). Von diesem Platz geht es auf der einen Seite in den touristisch interessanten Teil und auf der anderen zur Aussichtsterrasse und einem ruhigeren Stadtteil mit Trulli (von Parkplatz kommend rechts). Zwei gesamte Stadtteile bestehen fast ausschließlich aus Trulli. Von der Aussichtsterrasse beim Belvedere Santa Lucia geht es rechts in diesen Stadtteil. Hier befinden sich überwiegend Ferienwohnungen und auch das Geschichtsmuseum. Hinter der Aussichtsterrasse beginnt direkt die Neustadt (Piazza Giangirolamo II.). Nach dem Spaziergang bewege ich mich von hier gerne in die Neustadt und ruhe mich auf einer der Parkbänke aus. Dort diskutieren dann auch meist ein paar ältere Herren ihre Familienangelegenheiten.

Aussichtsterrasse Santa Lucia

Mein Lieblingsplatz in Alberobello bleibt trotz des Andrangs die Terrasse Santa Lucia. Fast die gesamte Trullilandschaft liegt vor mir und ich blicke in ein Hügelmeer von spitzen Dächern und weiß getünchten Wänden. Jedes Dach bekrönt ein individuelles Symbol. Die ehemals paganen Symbole verschwanden zugunsten von christlichen Symbolen oder einfachen Herzen mit Pfeil. Hier auf der Terrasse lohnt es sich zu warten, bis ich an die Brüstung gelange. Von hier schießen viele das Übersichtsfoto und auch andere Reiseführer erklären die Stadt.

Bauweise und Geschichte der Trulli von Alberobello

Von diesem gehobenen Standpunkt kann ich gut die Bauweise erklären. Man sieht die einzelnen ohne Mörtel verlegten Schichten. Alle Steine sind waagerecht verlegt, es gibt keine echten Kuppeln und Gewölbe. Bautechnisch nennt man dies Kragkuppel. Die Form stammt aus archaischer Zeit, als das Wölben noch unbekannt war. Die Steine üben keinen Seitendruck aus, somit stürzt das Dach nicht so einfach ein. Es können nur manchmal Steine abrutschen. Von unserm erhöhten Platz kann ich manche dieser abgerutschten Steine zeigen.

Die Bewohner nahmen zum Hausbau die herumliegenden Steine und setzten sie in der Technik des Trockenmauerwerks aufeinander. Die Häuser sind stabil und dauerhaft, allerdings auch schnell wieder einzureißen. Auch wenn Krabbelgetier durch die Ritzen kommt, bleibt die Sommerhitze draußen. Die Sonne scheint hier zu genüge, somit muss sie nicht ins Haus gelangen. Das Leben spielt sowieso überwiegend draußen statt, und in der Mittagshitze sucht jeder den kühlen, schattigen Ort.

Die Baumethode war die einfachste Möglichkeit in einem Bereich reich an Steinen überhaupt Häuser und Dächer zu bilden. Hauptsächlich Feldscheunen entstanden in dieser Technik. Hier in Alberobello zwang ein Adeliger aus Steuerspargründen die Einwohner dazu, hier in dieser Form zu bauen. Die Regierung in Neapel besteuerte keine Scheunenansammlungen. Nur in Alberobello rücken so die Trulli zu einer ganzen Stadt zusammen.

Heute besitzen wir Klimaanlagen und benötigen diese Bauweise nicht mehr. Die Neustadt sieht deswegen ganz anders aus. Waren die Trulli jahrelang Auslaufmodel, besinnen sich heute viele weggezogene Pugliesen auf ihre Familienerbe und renovieren die Trulli liebevoll. Sie sind heute begehrtes Domizil und Ferienwohnung.

Besucher in Alberobello

An den Trulli von Alberobello kommt in Apulien niemand vorbei. Sie erscheinen so außergewöhnlich, dass sie viele Reiseführer über Apulien zieren. Das hat zur Folge, dass Besucher Apulien vor allem mit dieser Bauform verbinden. Alberobello platziert sich ideal in den Highlights Apuliens und dies erklärt den Besucherandrang. Täglich bewegt sich ein Strom von Bustouristen vom Aussteigepunkt vor der Stadt zu den Sehenswürdigkeiten. Achtung! Romantischer Spaziergang zu zweit wird hier nicht möglich sein. Ich will hier niemanden vom Besuch abbringen. Alberobello lohnt sich. Nur für ursprüngliches apulisches Leben sind wir hier am falschen Ort.

Feiertag in Alberobello

Wer sich in echtes italienisches Leben stürzen möchte, der sollte Alberobello an einem Feiertag besuchen (am besten am 1.Mai). Dann schieben sich Massen von einheimischen Besuchern durch die Gassen. Mit der Gruppe an solch einem Tag eine Stadtbesichtigung durchzuführen, stellt eine besondere Aufgabe dar. Der Schwerpunkt des Spaziergangs verschiebt sich von den Sehenswürdigkeiten auf die anderen Flaneure. Am besten setzen wir uns auf eine Mauer und beobachte das Geschehen. Die Lokale sind eh überfüllt.